Die Sommerlinde (Tilia platyphyllos), botanische Schreibweise mit Bindestrich Sommer-Linde, auch Großblättrige Linde (Tilia grandifolia) genannt, ist eine Laubbaum-Art aus der Gattung der Linden (Tilia) in der Familie der Malvengewächse (Malvaceae). Sie war 1991 Baum des Jahres.[1]
Die Sommerlinde ist ein Baum, der Wuchshöhen von bis zu 40 Metern und einen Stammumfang von über 9,0 Metern erreichen kann.[2] Sie hat dunkelgrüne und feinrissige Blätter. Die Baumkrone ist hoch mit ziemlich steil ansteigenden Ästen. Als junger Baum hat die Sommerlinde meist eine mehr halbkugelige Krone. Die Borke ist rissig und blättert alljährlich ab.
Die jungen Austriebe sind rötlich-grün und deutlich behaart.
Die kahlen Knospen besitzen Knospenschuppen, die auf der dem Licht zugewandten Seite glänzend rot und auf der dem Licht abgewandten Seite gelblich-grün bis olivfarben sind. Die End- und Seitenknospen sind schmal bis breit eiförmig. Die Endknospen sind etwas zusammengedrückt und nicht größer als die Seitenknospen. Die Seitenknospen sind seitlich zusammengedrückt und vom Zweig abstehend.[3]
Die Laubblätter sind eiförmig bis rundlich und bespitzt, sie sind an der schiefen Basis mehr oder weniger herzförmig. Der Blattrand ist mehr oder weniger scharf-kerbig gesägt. Die Blätter sind oben dunkelgrün und behaart, unten heller und vor allem auf den Nerven dicht behaart. Die Größe der Blätter ist sehr variabel, etwa zwischen 2 und 18 cm (Länge wie Breite). Das Blatt sitzt an einem behaarten, etwa 2 bis 5 cm langen Stiel.
Die Sommerlinde blüht im Juni und ist damit in Mitteleuropa die am frühesten blühende Lindenart. Die gestielten Blüten hängen in Trugdolden zu 2 bis 5, meist zu 3 bis 4 (manchmal bis zu 6). Der Hauptstiel jeder Trugdolde ist mit einem flügelartigem, 14–18 mm breitem und bis zu 8 cm langem, weißlich-grünem Hochblatt verwachsen. Die zwittrigen, 5-zähligen Blüten sind etwa 12 mm groß und besitzen eine doppelte Blütenhülle. Die fünf gelblich-grünen Kelchblätter sind 4–6 mm lang. Die fünf gelblich-weißen Kronblätter sind länglich-eiförmig und 6–8 mm lang. Die ca. 30 Staubblätter sind etwas länger als die Krone. Der behaarte Fruchtknoten ist oberständig.[3][4]
Die dickwandige, kugel- bis birnenförmige Frucht hat fünf Rippen, ist dicht behaart und wird etwa 8 bis 10 mm groß.[4]
Unterschied zwischen Sommer- und Winterlinde
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 82.[5]
Neben der Sommerlinde kommen aus der Gattung Linden (Tilia) in Mitteleuropa noch die Winterlinde und der Hybrid aus der Sommer- und der Winterlinde, die Holländische Linde vor. Die Silber-Linde ist in Südosteuropa verbreitet.
Man kann mehrere Unterarten der Sommerlinde unterscheiden:
Die Unterart Tilia platyphyllos subsp. caucasica wird besser zur Kaukasischen Linde (Tilia dasystyla Steven) gestellt.
Illustration von Jacob Sturm
Die Sommerlinde ist in Mittel- und Südeuropa heimisch, kommt aber relativ selten wild vor.[6]
An schuttreichen Hangstandorten vermag sie sich aufgrund ihrer hohen Austriebskraft gegenüber anderen Baumarten durchzusetzen. Sie ist daher häufig in Hangschuttwäldern und Schluchtwäldern vertreten. Sie ist eine Charakterart des Verbands Tilio-Acerion, kommt aber auch in Gesellschaften des Verbands Fagion vor.[5] Sie gilt als Baum der mittleren Gebirgslagen. Im Freistand entwickelt sie eine mächtige Krone, ist jedoch empfindlich gegen Spätfröste. Die Sommerlinde steigt in den Nordalpen meist bis auf 1000 m, in den Südalpen auch höher.[7] In den Allgäuer Alpen steigt sie in Bayern am Gleitweg im Oytal in Strauchform bis zu einer Höhenlage von 1450 Metern auf.[8]
Von den in Mitteleuropa autochthonen Linden ist die Sommerlinde die am weitesten verbreitete Art.
Linden werden häufig sehr alt (bis zu 1000 Jahre), was viele Baumdenkmäler in Deutschland zeigen. Der Volksmund behauptet, dass Linden „dreihundert Jahre kommen, dreihundert Jahre stehen und dreihundert Jahre vergehen“. Selbst uralte, hohle Linden entwickeln manchmal noch eine erstaunliche Vitalität. Das Geheimnis ihrer Langlebigkeit sind neue Innenwurzeln, die vom greisen Stamm aus in Richtung Boden wachsen, sich dort verankern und eine junge Krone bilden, wenn der alte Baum abstirbt. Die Linde verjüngt sich also sozusagen von innen heraus.
Die im Juni und Juli lebenden Raupen des Linden-Blütenspanners ernähren sich von den Stempeln und Staubgefäßen der Sommerlinde, seltener von deren Blütenblättern.[9]
Die Sommerlinde spielt in Forstkulturen Mitteleuropas eine untergeordnete Rolle. Als Park- und Alleebaum wird sie jedoch häufig angepflanzt. Die Blüten der Sommerlinde sind in der Imkerei eine recht gute Bienenweide aufgrund des hohen Zuckergehalts ihres Nektars (bis zu 94 %) und seines hohen Zuckerwerts (bis zu 7,7 mg Zucker/Tag je Blüte).[10] Honigerträge von rund 0,8 kg pro Blühsaison und Baum sind möglich.[11] Die Sommerlinde gehört zu den Baumarten mit der besten Austriebsfähigkeit. Die schnellwüchsige Baumart wurde als Unterholz in Mittelwäldern herangezogen. Ihr Holz wurde, trotz des relativ geringen Brennwerts, daher als Brennholz genutzt.
Die jungen, noch weichen Lindenblätter sind essbar und eignen sich wegen ihres ausgesprochen milden Geschmacks gut für Salat.[12]
In der Pflanzenheilkunde werden heute hauptsächlich die Blüten der Linde genutzt. Diese bestehen aus den getrockneten Blütenständen der Sommer- oder der Winterlinde. Der Droge wird eine antitussive, adstringierende, diaphoretische, diuretische, sedierende und analgetische Wirkung zugeschrieben, die bisher kaum durch experimentelle Daten gestützt ist. Anwendungsgebiete sind Katarrhe der Atemwege und trockener Reizhusten. Weiter werden Lindenblüten als Diaphoretikum bei fiebrigen Erkältungs- und Infektionskrankheiten genutzt, bei denen eine Schwitzkur gewünscht ist. Für die therapeuthische Verwendung bei Erkältungskrankheiten und trockenem Reizhusten liegt eine Positiv-Monographie der Kommission E (1990) vor.[13] Ihre Wirksamkeit wird zudem durch die Erfahrung in der Hausmedizin belegt.
Ein Extrakt der Sommer-Linde hat in vitro eine hemmende Wirkung auf die Pankreaslipase des Schweins gezeigt.[14]
Leonhart Fuchs erwähnt in seinem Kräuterbuch von 1543 verschiedene Anwendungen der Blätter und der Rinde sowie eine Zubereitung aus Lindenblüten („auß Linden blůst ein Conserua/oder zucker“).[15] Erst im 17. Jahrhundert entdeckte man offenbar die schweißtreibende Wirkung des Lindenblütentees, der als Heilmittel eingesetzt wird. Zuvor schon soll der unmittelbare Blütenduft genutzt worden sein.[16]
Das Holz der Sommer-Linde unterscheidet sich nicht vom Holz der Winter-Linde und der Holländischen Linde. Bei der Verwendung des Holzes wird daher nicht zwischen diesen Arten unterschieden. Die Hauptnutzung des Lindenholzes liegt in der Bildhauerei, der Schnitzerei und Drechslerei. Vor allem die berühmten Werke der Spätgotik, so von Tilman Riemenschneider oder Veit Stoß, wurden häufig aus Lindenholz hergestellt. Heute wird für Schnitzarbeiten jedoch häufiger das leichter beschaffbare Holz der Weymouths-Kiefer (Pinus strobus) eingesetzt.[17]
In vielen Regionen Deutschlands wurde der Dorfmittelpunkt einst mit Sommerlinden gekennzeichnet. Er war Verkündstätte, Versammlungsort, hier wurde Gericht gehalten. Noch Kurfürst August von Sachsen unterzeichnete seine Verordnungen mit „Gegeben unter der Linde“. Bekannte Gerichtslinden sind zum Beispiel die Mahllinden bei Oberdorla und die Gerichtslinde (Mallinde) oberhalb Berka v. d. Hainich.
Es fanden jedoch auch die Feste des Dorfes unter der Linde statt. In manchen Orten wurde dafür sogar ein Tanzboden hoch oben zwischen den Ästen der Linde aufgebaut. Die seitliche Einfassung der „Lindenzimmer“ bildeten Hohlbrüstungen, die mit geleiteten Lindentrieben geschlossen wurden. Das fröhliche Treiben fand dann inmitten des Baumes statt. Auch die Musikanten spielten dort oben auf. Erhalten sind unter anderem die Tanzlinden von Limmersdorf bei Bayreuth, von Galenbeck in Mecklenburg-Vorpommern und Effeltrich. Eine andere ehemalige Tanzlinde ist die von Schenklengsfeld in der Nähe von Bad Hersfeld.
Eine weitere Besonderheit sind die sogenannten Apostellinden, bei denen zwölf Äste einer Linde künstlich in die Breite gezogen wurden und die weit ausladenden Äste mit Eichen- oder Steinsäulen gestützt werden. Damit entsteht eine riesige Lindenlaube. Die bekannteste Apostellinde ragt in Gehrden bei Warburg und kann über eine eiserne Wendeltreppe erklommen werden. Eine weitere schmückt die Ortsmitte in Effeltrich, wo die niedrige, weit ausladende Krone von einem zweireihigen Balkengerüst mit 24 Stützen getragen wurde.
Alte Sommerlinden in der Feldflur oder im Wald kennzeichnen häufig Dorfwüstungen. Die Sambacher Linde westlich von Mühlhausen stand beispielsweise früher im Zentrum des Weilers Tutterode.
In Norddeutschland, insbesondere in Westfalen, wurden Sommerlinden auf die Westseite der Häuser gepflanzt und Jahr für Jahr wie ein Spalier parallel zum Haus beschnitten. Diese natürliche Außenhaut hält im Sommer die Sonne vom Haus und kühlt dieses, im Herbst wurde das Laub als Futter oder Einstreu abgeschnitten und die Herbst- und Wintersonne konnte das Haus wärmen.
Linden sind im germanischen Glauben der Göttin Freya geweiht. Da Freya als Göttin der Liebe, Schönheit und Fruchtbarkeit gilt, lassen sich auch symbolische Bedeutungen (siehe unten) und Bräuche (Dorffeste dienten früher unter anderem der Paarbildung) darauf zurückführen.
Analog dazu gelten Eichen dem Gott Thor geweiht.
Die Linde ist das Symbol ehelicher Liebe, der Güte, der Gastfreundschaft und Bescheidenheit. Diese Symbolik soll auf Ovids Erzählung von Philemon und Baucis zurückgehen, dem alten Ehepaar, das sich nichts mehr erwünschte als gemeinsam zu sterben, damit keiner von ihnen den Tod des anderen erleben müsse. Zeus erfüllte ihnen diesen Wunsch; als der Tod zu ihnen kam, verwandelte er die beiden in Bäume: Philemon in eine Eiche und Baucis in eine Linde.
Bettina Brentano schrieb einst an ihren Bruder Clemens:
„Die Linden blühen, Clemente, und der Abendwind schüttelt sich in ihren Zweigen. Wer bin ich, daß ihr mir all euren Duft zuweht, ihr Linden? Ach, sagen die Linden, du gehst so einsam zwischen unseren Stämmen herum und umfaßt unsre Stämme, als wenn wir Menschen wären, da sprechen wir dich an mit unserm Duft.“
Die Sommerlinde hat auch im deutschen Volksliedgut Eingang gefunden. Die erste Strophe des bekannten Liedes Am Brunnen vor dem Tore von Wilhelm Müller nach der Melodie von Franz Schubert lautet:
Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum:
ich träumt in seinem Schatten so manchen süßen Traum;
ich schnitt in seine Rinde so manches liebe Wort;
es zog in Freud und Leide zu ihm mich immer fort.
In der ersten Strophe des bekannten deutschen Volksliedes Kein schöner Land in dieser Zeit wird die Linde als Treffpunkt erwähnt:
Kein schöner Land in dieser Zeit,
als hier das uns’re weit und breit.
Wo wir uns finden
wohl unter Linden
zur Abendzeit.
Der häufigste Gasthausname in Deutschland ist mit über 1000 Nennungen „Zur Linde“.[18]
Linde in Schenklengsfeld, ältester Baum Deutschlands
Habitus der rund 700 Jahre alten Sommerlinde in Hochneukirchen
Die Sommerlinde (Tilia platyphyllos), botanische Schreibweise mit Bindestrich Sommer-Linde, auch Großblättrige Linde (Tilia grandifolia) genannt, ist eine Laubbaum-Art aus der Gattung der Linden (Tilia) in der Familie der Malvengewächse (Malvaceae). Sie war 1991 Baum des Jahres.